Tipp des Monats November 2022

Spätestens seit dem 9-Euro-Ticket, das uns in diesem Sommer das Bahnfahren näher bringen sollte, haben viele von uns eine Vorstellung davon, wie es in einem gut gefüllten Pendlerzug so aussieht. Die Londoner haben das Zugpendeln so perfektioniert, dass ihnen dabei keiner so schnell etwas vormacht. Besonders nicht in dem allgegenwärtigen Schweigen, das in den morgendlichen und abendlichen Bahnen normalerweise herrscht.

Doch wenn wir in den Zug, der zwischen den Stationen ‚Hampton Court‘ und ‚London Waterloo‘ verkehrt, einsteigen, dann werden wir Zeugen einer ganz interessanten Wandlung.

Da sehen wir z.B. Martha, eine verschüchterte Teenagerin, die sich zu einer großen Dummheit hat verleiten lassen, wie sie Mädchen in ihrem Alter leider nur allzu schnell widerfahren. Oder Piers, der eigentlich Kevin heißt, und sich nur langsam vom schönen Schein seines Lebens lösen kann. Auch mit dabei ist Sanjay, der Krankenpfleger der Krebsstation, dessen Interesse Emmie gilt, die sich gerne hinter einem Buch versteckt und wahnsinnig belesen aussieht. Und dann ist da noch Iona, die Zeitschriften-Therapeutin, die das allgegenwärtige Schweigen nach einem Vorfall bricht und nicht mehr aufzuhalten ist. Es dauert nicht lange und der Wagen, in dem immer die gleichen Menschen unterwegs sind, füllt sich zunehmend. Je mehr auf einmal gesprochen wird, desto inniger werden die Kontakte und „Das Wunder von Bahnsteig 5“ kann geschehen.

Clare Pooley, selbst früher viel in Pendlerzügen unterwegs gewesen, beschreibt die sich täglich wiederholenden Fahrten, jedoch ohne Schweigen, sondern mit Gesprächen und entfaltet dabei viele einzelne Geschichten, die doch alle zusammenhängen. Wir als Leser dürfen dabei mitfahren und zusehen und sind oft schon gespannt auf die nächste Station, an der wieder jemand einsteigt und was dann wohl passieren wird. – Eine Geschichte zum Wegschmökern, ideal für die kühleren Tage.

Empfohlen von unserer Mitarbeiterin C.Kalff