„Zwei Leben" von Ewald Arenz
Wer von uns musste nicht schon in seinem Leben Entscheidungen treffen - manchmal kleine, unbedeutend erscheinende, manchmal welche mit ungeahnter Tragweite. Alles gemeinsam ist, dass die Auswirkungen nicht immer abzusehen sind und somit jede Entscheidung ein Wagnis darstellt.
Ewald Arenz’ Roman „Zwei Leben“ ist eine feinfühlige, tiefgründige Erzählung über solche Entscheidungen, über die Verbindungen zweier Frauen, deren Schicksale auf leise, aber unaufhaltsame Weise miteinander verwoben sind. Die Protagonistinnen, Roberta und Gertrud, könnten auf den ersten Blick kaum unterschiedlicher sein. Doch je weiter die Geschichte voranschreitet, desto mehr wird deutlich, dass ihre Leben auf komplexe, unausweichliche Weise miteinander verbunden sind.
Roberta, eine junge Frau auf der Suche nach ihrem Platz in der Welt, steht am Anfang ihres Lebens und kämpft mit Unsicherheiten und den Anforderungen, die an sie gestellt werden. In Gertrud begegnet sie einer älteren Frau, deren bewegte Vergangenheit sie in einem Wechselspiel aus Rückblick und Gegenwart tief beeindruckt. Gertrud hat Verluste und Brüche erlebt, die sie geprägt, aber auch gestärkt haben. Sie ist eine Überlebende, doch ihre Erfahrungen lasten schwer und bringen Roberta dazu, über ihr eigenes Leben nachzudenken.
Arenz gestaltet diese Begegnung voller Schicksalhaftigkeit und lässt die Lebenswege der beiden Frauen in einer Art stiller Notwendigkeit immer weiter ineinanderfließen. Es scheint, als ob die beiden Seelen in einer Art Spiegel zueinander stehen – eine Entwicklung, die subtil, aber unausweichlich zu einem Verständnis führt, das über Generationen und Lebensentwürfe hinweg geht. Es entsteht eine tiefe, beinahe spirituelle Verbundenheit, die sich jenseits der Worte entfaltet.
Der Erzählstil von Arenz ist dabei beeindruckend: Er ist zurückhaltend, fast unaufgeregt, aber voller emotionale Tiefe und Präzision. Arenz wechselt geschickt zwischen unterschiedlichen Erzählperspektiven und Zeitebenen, wodurch das Geschehen trotz seiner ruhigen Töne ständig neue Facetten erhält. Die Sprache ist bewusst gewählt und oft poetisch, ohne jedoch je ins Kitschige oder Überladene abzudriften. Gerade durch diese Leichtigkeit wird die Erzählung so eindringlich und berührend, dass sie lange nachhallt.
“Zwei Leben” ist ein Roman über Begegnungen und Schicksale, über Verluste und das Finden von Verbindungen, die heilen können. Ewald Arenz gelingt es meisterhaft, die Leser in diese leise, aber doch so tiefgreifende Welt hineinzuziehen. Ein Buch, das auf sanfte Weise packt und uns daran erinnert, wie stark die unsichtbaren Fäden sind, die unser Leben mit anderen verknüpfen.
Empfohlen von C.Kalff